LES OLYMPIADES (WO IN PARIS DIE SONNE AUFGEHT)

Les Olympiades
Jacques Audiard, FR, 2021
105 min., OmdU
Wie sieht die Liebe im Digitalzeitalter aus? Wie kann sie in einer Millionenmetropole wie Paris mit ihrem Überangebot an Liebeshungrigen gelingen? Jacques Audiards neuer Film gibt eine ausgesprochen analoge Antwort darauf: Trotz aller Virtualität entscheidet am Ende das Körperliche. Ein kleines Meisterwerk voll sehnsüchtiger Blicke, zärtlicher Berührungen und berührender Momente.
Im Original heißt Jacques Audiards neuer Film schlicht Les Olympiades nach dem Gebäudekomplex im 13. Pariser Arrondissement, in dem Émilie wohnt. Mit der Lebensrealität und den Klischees einer Emily in Paris (TV-Serie, 2020) haben Audiards Émilie, Camille und Nora nichts zu tun. Der Filmemacher zeigt ein Paris abseits der Touristenströme, kein Paris der verliebten Pärchen, sondern eins der Arbeiter:innen. Eine Metropole voller Diversität und Gegensätze, die trotz aller Widersprüche immer auch ein Ort der Inklusion ist. Denn was die Menschen – völlig ungeachtet ihrer Herkunft und sexuellen Präferenzen und der Verletzungen, die sie in der digitalen und analogen Welt erlitten haben – am Ende verbindet, ist der Wunsch, zu lieben und geliebt zu werden. So schön und gleichzeitig selbstverständlich hat man das selten gesehen.

Die Liebe in diesem Film lässt einen buchstäblich aus den Latschen kippen. Wenn Nora (Noémie Merlant) ihrer Internetbekanntschaft Amber Sweet (Jehnny Beth) das erste Mal von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, geht sie ohnmächtig zu Boden. Monatelange Videotelefonate konnten sie nicht auf diesen Moment vorbereiten. Angesichts einer realen Begegnung verblasst jede digitale Kommunikation. Jacques Audiards neuer Film ist reich an solchen Szenen, in denen die pure Freude des Physischen obsiegt.

Klingt kompliziert, ist bei Audiard aber federleicht. Die in drei Kapitel eingeteilte Handlung basiert auf drei Kurzcomics des New Yorker Cartoonisten Adrian Tomine. Audiard hat sie gemeinsam mit Léa Mysius (Ava) und Céline Sciamma (Tomboy, Porträt einer jungen Frau in Flammen) als Drehbuch adaptiert. Es bewegt sich geschmeidig zwischen den Figuren und Handlungssträngen hin und her. Was begeistert, ist die Nonchalance, mit der hier von Liebe und Sex erzählt wird. Letztgenannter ist weder verschämt noch übertrieben stilisiert inszeniert, sondern so auf die Leinwand geworfen, wie er sein sollte: entspannt, unkompliziert und doch innig und intim.